Wie viel von mir steckt wirklich in meinen Figuren?

Manche gehen zur Therapie. Ich schreibe Figuren, die meine Probleme für mich austragen. Ob Chaos, Herzschmerz oder existenzielle Grübelstunden – meine Protagonisten sind quasi meine Stellvertreter im literarischen Ring. Wie viel von mir wirklich in meinen Büchern steckt? Mehr, als mir manchmal lieb ist…

9/10/20252 min read

Man sagt ja, Autor:innen sind wie kleine Götter ihrer eigenen Welten. Wir erschaffen Charaktere, wir geben ihnen Ziele, Macken, Herzschmerz – und dann lassen wir sie im Plot schwimmen, als hätten wir mit all dem Chaos nichts zu tun.
Ha! Schön wär’s.

In Wahrheit bin ich in meinen Hauptfiguren mehr drin, als mir manchmal lieb ist. Bei jeder Protagonistin, jedem Protagonisten, steckt irgendwo ein Stück von mir – eine Denkweise, eine schlechte Angewohnheit, ein Satz, den ich schon mal im echten Leben so rausgehauen habe.

Therapiestunde zwischen den Zeilen

Andere Menschen gehen zum Psychologen.
Ich schreibe Bücher.
Jede Geschichte, die ich bisher veröffentlicht habe, ist im Grunde auch ein bisschen Aufarbeitungsarbeit gewesen. (Gibt’s das Wort überhaupt? Falls nicht – ich beanspruche das Copyright.)

Das Tolle daran: Ich kann meine eigenen Baustellen kreativ in fremde Köpfe verlagern. So darf Violet in Restless meinen Hang zum inneren Chaos ausleben, ohne dass ich dafür jeden Morgen auf mein eigenes Hin-und Hergerissensein schauen muss. In Trivial lasse ich den Abgrund zwischen Faszination und Selbstzerstörung ausloten, in Alles oder nichts meine Liebe zu Kunst und Leidenschaft explodieren – und in Hinterfragt… na ja, da habe ich wohl einfach meine existenziellen Grübelstunden zwischen die Seiten gekippt.

Die Vorteile, sich selbst in Figuren zu packen

  1. Authentizität – Leser:innen merken, wenn etwas gefühlt ist.

  2. Kostenersparnis – Therapeutische Stunden? Null Euro. (Okay, Papier und Zigaretten kosten trotzdem.)

  3. Freiheit – Ich kann meine Ängste, Wünsche oder Marotten dramatisch aufdrehen, ohne dass mich jemand im echten Leben schief anguckt.

Aber… es gibt auch einen Haken

Manchmal liest eine Person, die mich sehr gut kennt, eine Szene und sagt dann mit diesem wissenden Grinsen:
„Das bist doch du.“
Und ich denke: Verdammt. Erwischt.

Vielleicht ist es am Ende so:
Meine Figuren sind keine 1:1-Kopien von mir – aber sie sind wie Spiegel, die bestimmte Ecken meiner Persönlichkeit vergrößern oder verzerren. Ich bin in ihnen, sie sind in mir, und zusammen machen wir Geschichten, die sich echt anfühlen.

Und wenn das bedeutet, dass ich mir den Gang zum Psychologen sparen kann… tja, dann ist das eben so.🍷📚